Herz 22: 283, (1997)

Privatbehandlung von Kassenpatienten jetzt möglich

S. Silber

München

War bisher die privatärztliche Liquidation bei Patienten mit gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) gefährlich und mit dem Risiko einer Einleitung von Disziplinarmaßnahmen gegen die betreffenden Ärzte verbunden (siehe HERZ 22:, 117, 1997), können jetzt mit Verabschiedung des 2. Neuverordnungsgesetzes (NOG) ab 1.7.1997 GKV-Patienten statt der Sachleistung die Kostenerstattung wählen. Vorteil dieser bislang nur auf freiwillig versicherte Patienten begrenzten Regelung: Die Vertragsärzte unterliegen in diesen Fällen bei ihren Entscheidungen nicht dem Budgetzwang und kommen schneller an ihr Geld. Damit wird das Praxisbudget entlastet und Leistungen müssen nicht rationiert werden. Der Nachteil: Die Kostenerstattung verringert das an die KVen zu überweisende Honorarvolumen und kann somit negative Auswirkungen auf den Punktwert haben.

Der § 13 SGB V Absatz 2 wurde wie folgt geändert:

"Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung für Leistungen wählen, die sie von den im Vierten Kapitel genannten Leistungserbringern in Anspruch nehmen. ... Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Die Satzung kann dabei auch bestimmen, daß die Versicherten an ihre Wahl der Kostenerstattung für einen in der Satzung festgelegten Zeitraum gebunden sind."

Wünscht ein Mitglied der GKV als Privatpatient behandelt zu werden, muß es jetzt nicht mehr zuvor bei seiner Kasse Kostenerstattung beantragen, sondern kann dies vielmehr sofort mit seinem Arzt vereinbaren. Eine zeitliche Bindung für die Kostenerstattung gibt es jetzt nicht mehr. Der Patient kann von Fall zu Fall, von Quartal zu Quartal und von Arzt zu Arzt selbst entscheiden, ob er Kostenerstattung möchte oder nicht.

Wählt der Patient die Kostenerstattung, dann ist er rechtlich gesehen ein Privatpatient und unterliegt damit nicht mehr der sozialgerichtlichen Überprüfung. Vor Beginn der Verhandlung hat er dem Arzt in einer "persönlichen Erklärung" schriftlich zu bekunden, daß er als Privatpatient behandelt werden möchte und eine Rechnungsstellung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wünscht. Der liquidierende Arzt ist dann nicht an den Einfachsatz der GOÄ gebunden, doch könnte die Bindung an den Einfachsatz die Bereitschaft der Patienten zur Kostenerstattung erhöhen.

Die Freude über diese Möglichkeit zur Abrechnung wird sich allerdings bei den Vertragsärzten in engen Grenzen halten. Denn die Bereitschaft der gesetzlich versicherten Patienten, sich Privatrechnungen ausstellen zu lassen, wird nicht allzu ausgeprägt sein.

Ob man Werbung für die Kostenerstattung in der Praxis betreiben sollte, muß praxisindividuell entschieden werden. Wählen die Patienten das Kostenerstattungsprinzip, fehlen dem Vertragsarzt möglicherweise dann die Punkte im Praxisbudget, die er für seine multimorbiden Kassenpatienten dringend benötigt. Da die meisten BNK-Mitglieder sich wohl für die fachärztliche Tätigkeit entschieden haben dürften, muß dieser Punkt nicht berücksichtigt werden. Jedoch könnten Kassenpatienten auf den Geschmack kommen, sich nicht von Vertragsärzten, sondern von ermächtigten Ärzten behandeln zu lassen.

Überweisungen an Kollegen in Krankenhäusern können weiter kassenärztlich ausgestellt werden, so der kostenerstattungsberechtigte Kassenpatient dies wünscht. Wie bisher können Vertragsärzte auch Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bei Kassenpatienten erbringen. Häufig werden solche Leistungen aus Wettbewerbsgründen von den Kassen ganz oder teilweise erstattet. Dies gilt insbesondere für die Leistungen, die nicht notwendig, aber sinnvoll sein können. (ÄZ, 108, 1997) (Si)

Autor:
Priv. Doz. Dr. med. S. Silber
Herzkatheterlabor der
Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller
Am Isarkanal 36
81379 München
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