Kardiologie Assistenz 12: 10-13, 2000

Koronarinterventionen: Was gibt es Neues ?

Vortrag anläßlich der Fortbildung für kardiologisches Assistenzspersonal im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie- Herz- und Kreislaufforschung am 2. Oktober, 1999 in Nürnberg.

S. Silber


Herzkatheterlabor der Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller, München


Nach über 20 Jahren hat sich die PTCA (perkutane transluminale coronare Angioplastie) fest etabliert. Kritisch wird seit Jahren die Frage gestellt, ob nicht doch früher oder später alle dilatierten Patienten einer Bypassoperation zugeführt werden müssen. Aus den 5-Jahres Daten der BARI-Studie ging hervor, daß bei ca. 70% der Patienten eine Bypassoperation über diesen Beobachtungszeitraum vermieden werden konnte, während lediglich 30% sich schließlich doch einer Bypassoperation unterzogen (Abb. 1).


Abbildung 1: Kann die PTCA eine Bypass-Operation vermeiden ? (BARI-Studie 5 Jahre nach der PTCA)


Die untersuchten Patienten wären von vornherein grundsätzlich sowohl für eine PTCA als auch eine Bypassoperation in Betracht gekommen (randomisierte Studie), so daß es sich um ein vergleichbares Krankengut handelt. Die Hoffnung, daß die PTCA kostengünstiger als eine Bypassoperation durchgeführt werden kann, hat sich allerdings nicht erfüllt: Schon ca. 2 Jahre nach PTCA erreichen die Gesamtkosten ein ähnliches Niveau wie eine Bypassoperation (RITA-Studie, Abb. 2).


Abbildung 2: Gesamtkosten - OP vs. PTCA (RITA-Studie)


Diese Daten konnten erst kürzlich in der ARTS-Studie bestätigt werden. Der wichtigste Grund für die relativ hohen Gesamtkosten der PTCA liegt vor allem in der Restenose, die trotz (oder wegen ?) zunehmender Stentimplantation bei ca. 30% liegt.

Zur Vermeidung einer In-Stent Restenose wurden zahlreiche Techniken eingesetzt:

- Atherektomie
- Laser
- "Cutting Balloon"
- Rotablator
- "Stent-im-Stent"

Während die Atherektomie und Laserbehandlung von In-Stent Restenosen wieder verlassen wurde, setzte man größere Hoffnungen auf die Rotablation. Wir hatten in einer eigenen Studie eine In-Stent Re-Restenoserate nach Rotablation selbst unter besten methodischen Voraussetzungen von 56% festgestellt. Die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten ARTIST-Studie (randomisierter Vergleich von PTCA mit Rotablation bei In-Stent Restenose) ergaben ein ähnliches Resultat für die Rotablation. Somit ist die Rotablation heute nicht als entscheidende Lösung für In-Stent Restenosen anzusehen.

Neuere Stents zur Lösung dieser Problematik wurden entwickelt: Der "Graft-Stent" (Abb. 3) verhindert zwar das Einwachsen von Restenose-Gewebe durch die Stentmaschen, kann jedoch die Entstehung von In-Stent Restenosen an den Rändern nicht verhindern. Dennoch ist dieser Stent für den Notfalleinsatz bei Koronarperforationen sehr wichtig. Weitere Stents zur Verhinderung einer In-Stent Restenose wurden entwickelt (Tabelle 1). Der Stellenwert dieser neuen Stents ist noch nicht gesichert. Am besten wäre es, einen Stent herzustellen, der sich bald wieder von selbst auflöst (Abb. 4). Dieser würde die Vorteile der Dissekatanlegung mit einer möglichen Verhinderung eines kontinuierlichen Reizes als Ursache der In-Stent Restenose verbinden.


folgt

Abbildung 3: "Graft-Stent"


Tabelle 1: Mögliche Ansätze zur Vermeidung einer allergischen Nickelreaktion nach Stentimplantation.


folgt

Abbildung 4: NOR-I-Stent nach Implantation (Foto: Prof. Dr. med. Gerd Hausdorf)


Da die In-Stent Restenose eine überschießende Narbenreaktion darstellt (ähnlich einer Keloidbildung nach Verletzungen) kam man auf die Idee, eine intrakoronare Bestrahlung zur In-Stent Restenose durchzuführen. Erste Ergebnisse aus Kalifornien in der SCRIPPS-1-Studie ergaben einen durchschlagenden Erfolg (Abb. 5). Während die Implementation dieser intrakoronaren Brachytherapie mit Gammastrahlen im Herzkatheterlabor einen größeren Aufwand mit sich bringt, kann die intrakoronare Bestrahlung mit Betastrahlen ohne größere Umbauten erfolgen. Wir haben vor über einem Jahr begonnen, mit dem Novoste-System (Strontium/Yttrium-90, Abb. 6) zu arbeiten und bereits über 100 Patienten bestrahlt. Die Ergebnisse der randomisierten Studien mit Betastrahlen stehen noch aus, die klinischen Erfahrungen bei rezidivierenden In-Stent Restenosen sind gut.


Abbildung 5: Ergebnisse der SCRIPPS-I-Studie


folgt

Abbildung 6: Novoste-System Strontium/Yttrium-90


Die zunehmende Anzahl von Herzkatheteruntersuchungen (Tabelle 2) gab in letzter Zeit häufig Anlass zu Kritik. Wahrscheinlich ist es müssig, sich über die Indikationsstellung zu streiten, zumal auch eine Ausschluß-Koronarangiographie einen durchaus hohen Aussagewert mit den entsprechenden Konsequenzen für die Patienten darstellt. Seit Jahren bemüht man sich intensiv, die Anatomie der Koronararterien ohne Herzkatheteruntersuchung darzustellen (nichtinvasive Koronarangiographie). Hierzu steht grundsätzlich sowohl die Kernspintomographie (NMR) als auch die ultraschnelle Computertomographie zur Verfügung. Zwar liegen für die Kernspintomographie schöne nichtinvasive Koronarangiogramme vor (Abb. 7), deren Qualität kann jedoch zur Zeit nur bei einem geringen Teil der Patienten erhalten werden.


folgt

Tabelle 2: Zunahme der Linksherzkatheter-Untersuchungen für Erwachsene in Deutschland* von 1979 bis 1998. (* Bis 1989 nur alte Bundesländer, ab 1990 alte und neue Bundesländer. Darstellung und Berechnung auf der grundlage der Länderumfrage des Krankenhausausschusses der AOLG.


folgt

Abbildung 7: Koronarangiogramm mittels Kernspintomographie (Foto Philips)


Aus diesem Grunde beschäftigen wir uns zur Zeit intensiver mit der ultraschnellen Computertomographie mittels Mehrschicht-Spiral-CT: Im Gegensatz zur ultraschnellen Computertomographie mit der Elektronenstrahltomographie (EBT, Abb. 8 und 9) werden hier bei einer Umlaufzeit von 0,5 Sekunden der Röntgenröhre (Belichtungszeit 250 ms) vier Schichten gleichzeitig aufgenommen (Abb. 10 und Tabelle 3).


folgt

Abbildung 8: 3-D-Rekonstruktion normlaer Koronararterien mittels CT-Angiographie (Foto: IMATRON)


folgt

Abbildung 9: 3-D-Rekonstruktion von Herz- und Koronararterien mittels CT-Angiographie nach Anlage eines Bypasses (Foto: IMATRON)


Abbildung 10: Aufnahmeparameter der ultraschnellen Computertomographie mittels Mehrschicht-Spiral-CT.


Tabelle 3: Vergleich von Elektronenstraheltomographie und ultraschneller Computertomographie


Die ersten Ergebnisse mit dieser neuen Methode sind vielversprechend. Eine flächendeckende Anwendung der nichtinvasiven Koronarangiographie könnte nicht nur Herzkatheteruntersuchungen einsparen, sondern zahlreiche Patienten in einem früheren Stadium als "koronarkrank" identifizieren und somit bereits zu einem früheren Zeitpunkt einer Sekundärprävention zuführen.


Literatur:
 
beim Verfasser


Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. med. Sigmund Silber
Herzkatheterlabor der Kardiologischen Gemeinschaftspraxis
in der Klinik Dr. Müller
Am Isarkanal 36
81379 München
Tel: 089 - 7421510
Fax: 089 - 742151-99
e-mail: ssilber@med.de