29. Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie- Herz- und Kreislaufforschung,
Oktober 2005, Dresden
Koronarinterventionen obligat stationär?

S. Silber
Praxisklinik in der Klinik Dr. Müller, Kardiologische Gemeinschaftspraxis, München,

Z Kardiol 94: Suppl. 2, (2005)

Hintergrund:
Die perkutane Koronarintervention (PCI) ist eine iatrogene Verletzung der Koronararterie mit geringer Komplikationsrate. Bedrohliche Komplikationen als Prozedurfolge, wie z.B. plötzlicher Gefäßverschluß (mit oder ohne Stentthrombose), treten in ca. 1% der Fälle und besonders innerhalb der ersten 6 bis 24 Stunden nach der PCI auf. Aus diesem Grunde sollten die Patienten nach einer PCI nicht gleich entlassen werden. In den Deutschen Leitlinien wird nach unkomplizierter PCI eine Überwachungsdauer von mindestens 24 Stunden empfohlen. Entsprechend den US-amerikanischen ACC/AHA Leitlinien können die meisten Patienten innerhalb von 24 Stunden nach unkopizierter, elektiver PCI entlassen werden. In kleineren Studien konnte gezeigt werden, dass eine Entlassung auch am selben Tag möglich ist, insbesondere wenn als Zugangweg die A. radialis oder A. brachialis gewählt wurde. Im Allgemeinen wird eine Entlassung am selben Tag nicht empfohlen.

Definition von „ambulant" und „stationär":
„Ambulant" heißt nicht, dass die Patienten am selben Tag nach Hause gehen, „stationär" muß nicht heißen, dass die Patienten eine oder mehrere Nächte in der Klinik verbleiben. Der entscheidende Unterschied zwischen ambulant und stationär liegt darin, dass bei „ambulant" kein Einweisungsschein, bei stationär dagegen schon ein Einweisungsschein ausgestellt wurde. So kann der Patient nach PCI ohne Überweisungsschein durchaus mehrere Tage „ambulant" in einem Bett am Monitor ¸berwacht werden und andererseits „stationär" auch am selben Tag nach Hause gehen. In der Regel wird mit „ambulant" der Begriff „vertragsärztlich" und mit „stationär" der Begriff „krankenhausärztlich" verbunden. Dies ist aber auch nicht ganz richtig ist, denn auch Krankenhausärzte dürfen im Rahmen des Katalogs „stationsersetzende Leistungen" ambulant – und Vertragsärzte im Rahmen des Belegarztsystems stationäre Leistungen erbringen. Das Belegarztsystem stellt traditionell die ideale Schnittstelle zwischen ambulant und stationär dar. Leider geht in letzter Zeit die Entwicklung dahin, das Belegarztsystem abzuschaffen, obwohl es sich seit Jahrzehnten als Schnittstelle zwischen ambulant und stationär bewährt hat.
Im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes wurden neue Versorgungsformen eingeführt, die zwar an der Notwendigkeit eines Einweisungsscheins für „stationär" nichts änderten, aber die Begriffe „ambulant" bzw. „stationär" noch weiter relativierten: insbesondere wurde die integrierte Versorgung (i.V.) eingeführt, um die „sektoralen Grenzen" zwischen ambulant und stationär aufzuheben. Im Idealfall einer i.V. spielen die Begirffe „ambulant" und „stationär" keine Rolle mehr.

Antwort:
Die Frage: „Koronarinterventionen: obligat stationär?" ist somit mit einem klaren „nein" zu beantworten, sofern eine adäquate postinterventionelle Beobachtung (mindestens ¸ber Nacht) mit Rufbereitschaft im selben Hause garantiert ist. Die Durchführung einer PCI als „Auftragsleistung" (z.B. als Verbringung) ist abzulehnen, da im Falle von postinterventionellen Koronarkomplikationen eine erneute Rückverlegung vom verbringenden Haus in das Katheterlabor mit Krankentransport erforderlich wäre. Diese potentielle Patientengefährdung ist vermeidbar.

Ausblick:
In Zukunft sollte nicht mehr zwischen „ambulant" und „stationär" unterschieden werden. Viel wichtiger ist die Qualität der Patientenversorgung – unabhängig vom Ausstellen eines Einweisungsscheines. Die Frage bei der PCI lautet nicht „ambulant oder stationär ?", sondern „warum gibt es für die selbe PCI unterschiedliche Vergütungen, je nachdem sie „ambulant" (EBM) oder stationär (DRG) abgerechnet wurde ? Das Ziel bei der PCI muss lauten: gleiche Vergütung für Leistungen gleicher Qualität – unabhängig davon, ob ein Einweisungsschein ausgestellt worden ist oder nicht.