Herz: 20: 292, (1995)

Das Internet: woher kommt es und wem gehört es?

S. Silber

München


Das Internet ist mit seinen über 30 Millionen Anwendern (die Anzahl kann nur geschätzt werden) und einem derzeitigen Wachstum, von dem Industrieunternehmen nur träumen können, die beeindruckendste "Datenautobahn" unserer Zeit. Um die Struktur des Internets zu verstehen, lohnt es sich, die historische Entwicklung näher zu betrachten: als Entwicklung des U.S. Department of Defense's Advanced Research and Projects Agengy entstand dieses Netzwerk 1969 im Spannungsfeld des kalten Krieges (Arpanet). Es sollte durch Datenaustausch über spezielle Computerprotokolle (TCP/IP, Transmission Control Protocol/Internet Protocol) die Verletzlichkeit amerikanischer Militäreinrichtungen im Kriegsfalle vermindern: Die Daten wurden in kleinen, speziellen Paketen sternförmig verschickt, um, falls der gewünschte Adressat nicht mehr erreichbar wäre, problemlos andere zu erreichen. Da schon bald -wider Erwarten- Wissenschaftler dieses "geheime" Netzwerk zum Informationsaustausch mitbenutzten, wurde in den frühen 80er Jahren die militärische Komponente abgetrennt. Die zivile Schiene dieses Netzwerks repräsentierte zunächst eine Verbindung für rein wissenschaftliche Zwecke zwischen US-Universitäten mit Großrechnern, Regierungsbehörden, der NASA und dem National Institute of Health, gefördert von der US National Science Foundation.

In den frühen 90ern öffnete sich dann das Internet auch kommerziellen Bedürfnissen: heute beträgt der Anteil kommerzieller Teilnehmer ca. 90%. Den Durchbruch erzielte eine einfach zu bedienende graphische Oberfläche, WWW (World Wide Web) genannt: Sie entstand 1989 in den Schweizer Physiklabors von CERN. Ziel war es, ein "Esperanto" in das Gewirr der Computersprachen zu bringen. Zentrale Achse des WWW ist die HTML (HyperText Mark-up Language), mit der man sich in geradezu dreidimensionaler Art von Dokument zu Dokument - von Kontinent zu Kontinent - bewegt, ohne es zu merken. Heute kann man mit praktisch jedem Computer und Betriebssystem intuitiv durch das WWW "surfen". Man findet schlichtweg alles im Internet: von der Gemäldesammlung des Louvre bis zu einem reichhaltigen Angebot von Espressomaschinen.

Kürzlich haben sich auch zahlreiche Grundschulen dem Internet angeschlossen, um die Kinder bereits früh mit dem Netzwerk vertraut zu machen, was im WWW spielerisch erfolgt. Die Anmeldung zum Internet erfolgt über zahlreiche kommerzielle oder private Anbieter (Übersicht z.B. in PC-Online, 3/95 oder Online- ISDN 6/95). Die monatlichen Grundgebühren liegen zwischen DM 20,- und DM 150,-. Entsprechend seiner Entstehungsgeschichte, gehört das Internet - das "Netz der Netze"- niemandem. Es gibt keine zentrale Anmeldestelle und keine zentrale Überwachung. Somit reflektiert das Internet die Anarchie - im philosophischen Sinne des Wortes: eine utopische Gesellschaft von Individuen ohne staatliche Reglementierung.
Autor:
Priv. Doz. Dr. med. S. Silber
Herzkatheterlabor der
Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller
Am Isarkanal 36
81379 München
email: ssilber@med.de