offener Brief an Dr. med. Winfried Schorre

Betrifft: Belege für fehlende Sachkompetenz KBV bezüglich der kardiologischen Versorgung im vertragsärztlichen Bereich

Silber S

Kardiologische Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller, München

Herrn
Dr. med. Winfried Schorre
Erster Vorsitzender der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Herbert-Lewin-Str. 3

50931 Köln

München, 27.5.1999 / sf

Sehr geehrter Herr Kollege Schorre,

mit diesem Schreiben möchte ich auf relevante Lücken hinsichtlich der Fachkompetenz der KBV bei der vertragsärztlichen Versorgung kardiologischer Patienten hinweisen.

1. Ungleichbehandlung von Streßechokardiograhie und Nuklearkardiologie

Es ist weltweit bekannt und internationaler Standard, daß die Streßechokardiographie und Nuklearkardiologie den gleichen Stellenwert besitzen. Dies geht auch aus der beiliegenden Übersichtsarbeit eindeutig hervor.

Mit Überraschung mußten wir feststellen, daß im neuen EBM ab 1.4.1999 nuklearkardiologische Leistungen im gleichen Quartal vor bzw. nach einem Linksherzkatheter nicht mehr vergütet werden (s. Legende zur Ziffer 5120).

Zur Begründung dieser EBM-Gestaltung erreichte uns das Schreiben von Dr. Köhler vom 28.4.1999 an Dr. Dörr, Dresden. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß in der Leistung nach Nummer 5120 bereits die myokardszintigraphische Untersuchung enthalten ist. Abgesehen vom Zynismus dieser Behauptung (die 5411 ist mit 4650 Punkten dotiert, es bleiben dann noch 5350 Punkte für den Linksherzkatheter übrig), beweist dieses Vorgehen die fehlende Sachkenntnis der KBV. Wäre der KBV bekannt, daß Streßechokardiographie und Myokardszintigraphie gleichwertig sind, so müßte auch die Streßechokardiographie den gleichen Ausschlußkriterien unterliegen wie die Myokardszintigraphie.

2. Erläuterung der KBV zur Leistung Nr. 7252

Die Erläuterung zur Definition der "einzeitigen Mehrgefäßdilatation" zeigt, daß der KBV die elementaren Grundlagen der Koronaranatomie nicht bekannt sind. Die Koronargefäße werden laut KBV eingeteilt in A. coronaria dextra, A. coronaria sinistra und Ramus interventricularis anterior. Es täte der KBV gut, ein Anatomiebuch aufzuschlagen: die linke Kranzarterie besteht aus dem Hauptstamm, dem dann der Ramus interventricularis anterior und der Ramus circumflexus folgen.

Aufgrund der mangelnden Anatomiekenntnisse der KBV könnte man auf die Idee kommen, bei einer Dilatation des Ramus interventricularis anterior eine Mehrgefäßdilatation abzurechnen, da dieser Ast gleichzeitig Bestandteil der A. coronaria sinistra ist. Dies wäre eine von der KBV veranlaßte Falschabrechnung.

Somit stelle ich folgende Anträge:

ad 1. Gleichberechtigte Behandlung von Streßechokardiographie und Nuklearkardiologie: Entweder Ausschluß auch der Streßechokardiographie zur gleichzeitigen Abrechnung neben 5120 oder Streichung der Ausschlußlegende für die Nuklearkardiologie neben 5120.

ad 2. Sachliche Richtigstellung zur Koronaranatomie der Erläuterung nach 7252, um eine von der KBV veranlaßte mögliche Falschabrechnung zu vermeiden.

Mit den besten Grüßen
Ihr

Prof. Dr. med. Sigmund Silber
für den Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK)

Nachrichtlich: Herrn Dr. Rainer Hess
Herrn Dr. med. Andreas Köhler
Herrn Dr. Heinrich Weichmann
Herrn Dr. med. Lothar Wittek
BNK-Vorstand
Berufsverbände Ärztlicher Organisationen