Herz 22: 355 - 356, (1997)

Bedeutung der Neuordnungsgesetze für den Krankenhausbereich

S. Silber

München

Wie erwartet, hat im Tauziehen um die Gesundheitsreform der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat am 14. Mai 1997 die Aufhebung des 2. Gesetzes zur Neuordnung der Krankenversicherung (2. NOG) empfohlen. Der Bundestag hat das Ausschußvotum am 15. Mai 1997 zurückgewiesen. Der SPD-dominierte Bundesrat hat am 16. Mai 1997 das Gesetz als zustimmungsbedürftig angesehen und Einspruch eingelegt. Der Einspruch wurde am 12. Juni 1997 mit Kanzlermehrheit überstimmt. Somit findet das 2. NOG rückwirkend zum 1. Januar 1997 Anwendung.

Für den Krankenhausbereich handelt es sich ohne jeden Zweifel um ein Reformgesetz mit weitreichenden und wesentlichen Änderungen. Die Krankenhausausgaben werden auf Dauer an die Grundlohnsummenentwicklung angebunden. Als weiteres Reformelement ist die konsequente Übertragung wichtiger Aufgaben auf die Selbstverwaltung hervorzuheben, wobei Pflege und Weiterentwicklung der Entgelte im Vordergrund stehen. Auch die Einrichtung einer Bundesschiedsstelle stellt ein Novum für den Krankenhausbereich dar. Gleichfalls nicht unerwähnt bleiben sollte als Schwerpunkt die Schaffung eines neuen Rechtsrahmens für die Erprobung neuer Versorgungsformen im Gesundheitswesen, auch wenn für den Krankenhausbereich eine Schieflage festzustellen ist. Obwohl das Krankenhauswesen erheblich betroffen sein kann, sind weder die Landeskrankenhausgesellschaften noch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) als Vertragspartner für Modellvorhaben nach §§ 63 ff. SGB V genannt. Bei den Strukturverträgen nach § 73 a SGB V bestehen erhebliche Risiken: Diese Regelungen enthalten strukturverändernde Ansätze und können losgelöst von einer Begleitforschung zu Lasten Dritter, das heißt zu Lasten der Krankenhäuser, durchgeführt werden. Es dürfte außer Frage stehen, daß der für Modellvorhaben vorgesehene Rechtsrahmen mit Leben erfüllt wird, um Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen. Schon hierdurch werden weitere Reformschritte angedeutet. Daher ist zu prognostizieren, daß es eine weitere Stufe der Gesundheitsreform geben wird - bis zur Jahrtausendwende allerdings wohl nicht mehr.

Schon jetzt ist jedoch der Ruf der Kassenseite nach einer "eigentlichen" Reform für das Krankenhauswesen unüberhörbar; das, was dort unter Wettbewerb verstanden wird, soll umgesetzt werden, zum Beispiel durch mehr Einfluß der Kassenseite auf die Krankenhausplanung oder durch die Vertragskompetenz einzelner Kassenarten mit einzelnen Krankenhäusern. Die Entwürfe des KHNG 1997 und des GKVWG sind offensichtlich noch nicht in Vergessenheit geraten. Der Hinweis auf die Zustimmungspflicht des Bundesrates wird bei Diskussionen geflissentlich überhört.

Der Blick in die Zukunft soll jedoch nicht die Gegenwart zu kurz kommen lassen. DKG und GKV bereiten sich intensiv auf die Umsetzung der neuen Selbstverwaltungsaufgaben vor. Die vielfältigen Aufgaben mit Langzeitwirkung erfordern personellen und sachlichen Aufwand.

Derzeit ist das Gesundheitsministerium dabei, die bestehende BPflV "nachzujustieren", wobei die von der DKG und GKV gemeinsam gewünschte zustimmungspflichtige Verlängerung des Erlösabzugsverfahrens um zwei Jahre im Vordergrund steht. Gleichzeitig ist jedoch zu erwarten, daß auch noch andere Regelungsbereiche in dieser 5. Änderungsverordnung aufgegriffen werden. Seitens des BMG hat man das zu erwartende Mengenproblem bei Sonderentgelten und Fallpauschalen ausgemacht. Dabei wird auf der Arbeitsebene zur Zeit die Frage von Richtpreisen für Sonderentgelte und Fallpauschalen diskutiert.

Was konnte erreicht werden ?

Mit dem 2. NOG bleibt es bei der dualistischen Krankenhausfinanzierung, auch wenn die Instandhaltungsfinanzierung zukünftig monistisch erfolgen soll. Die ursprünglich im Zuge der 3. Stufe der Gesundheitsreform diskutierte und von der DKG ausdrücklich abgelehnte Überführung der dualen Finanzierung in die "Monistik" konnte sich nicht durchsetzen.

Ein Kernbestandteil der hierzu vorgesehenen budget-relevanten Neuregelungen ist die Anbindung der Krankenhausausgaben an die Grundlohnsummenentwicklung. Für 1997 soll die bereits festliegende BAT-Rate (1,3 Prozent für die alten Bundesländer, 2,3 Prozent für die neuen Bundesländer) gelten. In den Folgejahren ab 1998 vereinbaren die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene prospektiv die Grundlohnsummenentwicklung als Obergrenze für die Krankenhausbudgets. Im Falle der Nichteinigung erfolgt die Entscheidung durch die im Gesetz vorgesehene Bundesschiedsstelle.

Zur künftigen Steuerung der Mengenentwicklung sieht das 2. NOG Ausgleichsregelungen vor. Mindererlöse des Krankenhauses werden zu 50 Prozent ausgeglichen. Der Ausgleich von Mehrerlösen erfolgt nach einem degressiven Abstaffelungsmodell. Bei Entgelten mit einem Sachmittelanteil von über 50 Prozent haben die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene die Möglichkeit, einen niedrigeren Ausgleichssatz bei Mehrerlösen zu vereinbaren, der jedoch mindestens bei 50 Prozent liegen muß. Auch hier entscheidet im Nichteinigungsfalle die neue Bundesschiedsstelle.

Was konnte nicht verhindert werden ?

An erster Stelle ist hier das Beitragsentlastungsgesetz zu nennen. Es konnte trotz der Vorlage des von der DKG in Auftrag gegebenen Infratest-Gutachtens, mit dem dargelegt worden ist, daß Fehlbelegungen in nennenswertem Umfang in den Krankenhäusern nicht mehr vorhanden sind, nicht abgewendet werden. Die im Beitragsentlastungsgesetz vorgesehenen flächendeckenden "heckenschnittartigen" Budgetkürzungen werfen nunmehr erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten auf, die erst der Anfang der Fehlbelegungsdiskussion sein dürften.

Nicht verhindert werden konnte auch der im letzten Augenblick völlig überraschende Änderungsantrag zur Qualitätssicherung. Durch die Einführung des § 137 a SGB V soll die Bundesärztekammer das Recht erhalten, die Anforderungen an die ärztliche Qualitätssicherung zu bestimmen. Für die Prüfung der Qualitätssicherungsmaßnahmen sollen die beteiligten Ärztekammern zuständig sein.

Nicht abgewendet werden konnte die beabsichtigte Patienteninformationspflicht durch die Krankenhäuser nach § 305 Abs. 2 SGB V; nicht erreicht wurde des weiteren eine Änderung der bisherigen Inkassoregelung bei den Zuzahlungsbeträgen. Beide Vorschriften werden zukünftig einen erheblichen Kosten- und Bürokratieschub im Krankenhaus auslösen (aus "das Krankenhaus" 6/97).

Autor:
Priv. Doz. Dr. med. S. Silber
Herzkatheterlabor der
Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller
Am Isarkanal 36
81379 München
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