Herz 21: 134, (1996)

ICD-10 in der Kardiologie

S. Silber

München


Trotz heftiger Proteste ist davon auszugehen, daß der ICD-10 (wenn auch in vereinfachter und mehr praxisorientierter Form) für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte/Ärztinnen Pflicht wird bzw. bleibt. Laut einer Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit soll der ICD-10 zunächst in einer zweijährigen Erprobungsphase "getestet" werden. Entsprechend einer Rahmenvereinbarung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gilt dann ab 1998 der ICD-10 in einer überarbeiteten Fassung zeitgleich im ambulanten und stationären Bereich. In einer gemeinsamen Erklärung der oben genannten Institutionen sowie des Hartmannbundes und des NAV-Virchowbundes sei eine Verschlüsselung der notwendigen Daten grundsätzlich sinnvoll, um die Abrechnungs- und Prüfverfahren zu rationalisieren und zu modernisieren.

Für uns niedergelassene Kardiologen ist bei Verwendung eines Praxiscomputers in Anbetracht des spezialisierten Patientengutes der für den ICD-10 zusätzliche Zeitaufwand vernachläßigbar gering. Allerdings muß der häufig zitierte epidemiologische Nutzen des ICD-10 in Anbetracht der enttäuschenden Ergebnisse für den ICD-9 (Krankenhäuser) angezweifelt werden. Will man allerdings den IDC-10 zur Qualitätssicherung heranziehen (wo bleibt eigentlich die Qualitätssicherung für Politiker?), so müssen wichtige fehlende Diagnosen (z.B. PTCA) ergänzt und überflüssige Codierungen (z.B. Y35.2, Hinrichtung unter Einsatz von Gas) entfernt werden. Amüsante Codierungen (z.B. T74.0, Vernachlässigung der Ehefrau) sollten nicht zur Pflicht werden. Inwieweit Codierungen wie z.B. Y65.5 (Ausführung eines nicht indizierten Eingriffes) Verwendung finden, bleibt fraglich.

Zum Thema "der gläserne Patient": Die Diskussion über die Möglichkeit eines unbefugten Zugriffs bzw. Mißbrauchs von ICD-10-Daten ist bekannt. So wichtig diese Problematik des Datenschutzes ist, muß aber festgestellt werden, daß dies mit der ICD-10-Einführung nichts zu tun hat, sondern ein "Computerproblem an sich" darstellt: Wir geben schon seit Jahren die Diagnosen per Diskette an die KV weiter, ein rascher und unbefugter Zugriff über externe Modems wäre, wenn angestrebt, schon seit langem nicht ausgeschlossen: eine Computerabfrage nach Diagnosen in Buchstaben ist genauso einfach wie eine Computerabfrage nach Diagnosen in Ziffern (weiterführende Literatur: Woodward B., The Computer-Based Patient Record and Confidentiality, N Engl J Med, 333:, 1419-1422 ,1995).

Im Folgenden werden einige der häufigsten Diagnosen im KV-modifizierten ICD-10-Schlüssel (A = Ausschluß, V = Verdacht, G = gesichert, Z = Zustand nach) aufgeführt.


KORONARE HERZERKRANKUNG
Praekordiale Schmerzen R07.2
Brustschmerzen, nicht näher bezeichnet R07.4
HWS-Syndrom M50.0
BWS-Syndrom M51.9
Stabile Angina pectoris I20.0
Instabile Angina pectoris I20.0
Ausschluß koronare Herzerkrankung I25.1A
V. a. koronare Herzerkrankung I25.1V
gesicherte koronare Herzerkrankung I25.1G
Ausschluß Vorderwandinfarkt I21.0A
V. a. Vorderwandinfarkt I21.0V
gesicherter Vorderwandinfarkt I21.0G
Z. n. Vorderwandinfarkt I21.0Z
Ausschluß Hinterwandinfarkt I21.1A
V. a. Hinterwandinfarkt I21.1V
gesicherter Hinterwandinfarkt I21.1G
Z. n. Hinterwandinfarkt I21.1Z
Ausschluß nichttransmuraler Infarkt I21.4A
V. a. nichttransmuralen Infarkt I21.4V
gesicherter nichttransmuraler Infarkt I21.4G
Z. n. nichttransmuralem Infarkt I21.4Z
Z. n. koronarer Stentimplantation Z95.5Z
Z. n. koronarer Bypass-Operation Z95.1Z

RISIKOFAKTOREN:
Nikotinkonsum Z72.0
Diabetes mellitus E14.9
Hypercholesterinämie E78.5
Hyperlipidämie E87.5
Hyperurikämie E79.0
essent. arterielle Hypertonie I10

VITIEN:
Herzgeräusch R01.1
Strömungsgeräusch R01.0
Mitralklappenstenose I05.0
Mitralklappeninsuffizienz I05.1
Mitralklappenkrankheit I05.0
Aortenklappenstenose I06.6
Aortenklappeninsuffizienz I06.1
Aortenklappenkrankheit I06.9
Tricuspidalklappenkrankheit I07.9
Z. n. Klappenersatz Z45.9Z
Dysfunktion nach Herzklappenersatz T82.0
Vorhofseptumdefekt Q21.1
Ventrikelseptumdefekt Q21.0
Ausschluß Endokarditis I33.9A
V. a. Endokarditis I33.9V
gesicherte Endokarditis I33.9G
Z. n. Endokarditis I33.9Z
Ausschluß Myokarditis I40.9A
V. a. Myokarditis I40.9V
gesicherte Myokarditis I40.9G
Z. n. Myokarditis I40.9Z
Ausschluß Perikarditis I30.9A
V. a. Perikarditis I30.9V
gesicherte Perikarditis I30.9G
Z. n. Perikarditis I30.9Z
Perikarderguss I31.3


ARRYTHMIEN:
V. a. Herzrhythmusstörung I49.9V
Herzrhythmusstörungen I49.9
Palpitationen R00.2
Vorhofextrasystolie I49.1
Ventrikuläre Extrasystolie I49.3
V. a. Tachykardien R00.0V
gesicherte Tachykardien R00.0G
Z. n. Tachykardien R00.0Z
V. a. Bradykardien R00.1V
gesicherte Bradykardien R00.1G
Z. n. Bradykardien R00.1Z
V. a. Vorhofflattern / -flimmern I48V
gesichertes Vorhofflattern / -flimmern I48G
Z. n. Vorhofflattern / -flimmern I48Z
V. a. Sick-Sinus-Syndrom I49.5V
gesichertes Sick-Sinus-Syndrom I49.5G
AV-Block 1. Grades I44.0
AV-Block 2. Grades I44.1
AV-Block 3. Grades I44.2
Linksschenkelblock I44.7
Rechtsschenkelblock I45.1
Bifaszikulärer Block I45.2
V. a. Präexzitationssyndrom I45.6V
Gesichertes Präexzitationssyndrom I45.6G
Ventrikuläre Tachykardie I47.2
Z. n. Kammerflimmern I49.0
Z. n. Reanimation I46.0Z

Schrittmacherimplantation Z45.0
Z. n. Schrittmacherimplantation Z45.0Z
Schrittmacherdysfunktion T82.1

KARDIOMYOPATHIE:
Ausschluß dilatative Kardiomyopathie I42.0A
V. a. dilatative Kardiomyopath. I42.0V
gesicherte dilatative Kardiomyopathie I42.0G
Ausschluß hypertr. obstr. Kardiomyop. I42.1A
V. a. hypertr. obstruktiveKardiomyopathie I42.1V
gesicherte hypertrophe obstr. Kardiomyop. I42.1G
Ausschluß hypertr. nichtobstr. Kardiomyop. I42.2A
V. a. hypertrophe nichtobstr.Kardiomyop. I42.2V
gesicherte hypertr. nichtobstr. Kardiomyop. I42.2G


BLUTDRUCK:
Essent. arterielle Hypertonie I10
Hypertensive Herzkrankheit mit Herzins. I11.0
Hypertensive Herzkrankheit ohne Herzins. I11.9
Linksventrikuläre Hypertrophie I51.7
Sekundäre Hypertonie, n. n. bezeichnet I15.9
V. a. Hypotonie I95.9V
gesicherte Hypotonie I95.9G
Z. n. Hypotonie I95.9Z


LUNGE:
Chronisch obstr. Lungenerkrankung J44.9
gesichertes Lungenödem J81.G
Z. n. Lungenödem J81Z
Pleuraerguß J90
Ausschluß Lungenembolie I26.9A
V. a. Lungenembolie I26.9V
gesicherte Lungenembolie I26.9G
Z. n. Lungenembolie I26.9Z
Lungenemphysem, n.n. bezeichnet J43.9


NIERE:
Chronische Niereninsuffizienz N18.9


PERIPHERIE:
Ausschl. periph. arter. Verschlußkrankheit I70.2A
V. a. periph. arterielle Verschlußkrankheit I70.2V
gesicherte periph. arter.Verschlußkr. I.70.2G
Ausschluß Nierenarterienstenose I70.1A
V. a. Nierenarterienstenose I70.1V
gesicherte Nierenarterienstenose I70.1G
Ausschluß Carotisstenose I65.2A
V. a. Carotisstenose I65.2V
gesicherte Carotisstenose I65.2G
V. a. Apoplexie I64V
gesicherte Apoplexie I64G
Z. n. Apoplexie I64Z
V. a. Hirnblutung I61.9V
gesicherte Hirnblutung I61.9G
V. a. Aortenaneurysma / -dissektion I71.0V
gesich. Aortenaneurysma / -dissektion I71.0G
Varicosis I83.9
Oberflächliche Thrombophlebitis I80.0
tiefe Thrombophlebitis I80.2
Ödem R60.9


WEITERE SYMPTOME und BEFUNDE:
Herzinsuffizienz I50.9
Linksherzinsuffizienz I50.1
Rechtsherzinsuffizienz I50.9
Dyspnoe R06.0
Hyperventilation R06.4
Schwindel R42
Z. n. Synkope R55Z
Übelkeit / Erbrechen R11
Fieber unbekannter Ursache R50.9
Kontrastmittelallergie T88.7



Priv. Doz. Dr. med. S. Silber

Herzkatheterlabor der
Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller
Am Isarkanal 36
81379 München
ssilber@med.de